Dampftechnologie im Automobil

Dampfmotor als schadstofffreier Antrieb

 

Wer hat die meisten Zylinder, die meisten Ventile, wer als erster den Direkteinspritzer? Fragen, die in der Vergangenheit die Motorenbauer antrieben. Heutzutage machen neue Motortechnologien nur dann Sinn, wenn sie Verbrauch oder Abgase deutlich senken. Verbrauchsvorteile werden aber oft durch ein höheres Fahrzeuggewicht aufgezehrt, verbesserte Abgasnachbehandlung ist andererseits sehr aufwendig. Eine Lösung könnte ein verbrauchsgünstiger Motor sein, der kein messbares Abgas ausstößt und dazu noch ohne Kat auskommt.
Berliner Ingenieure entwickeln Dampfmotor
Spezialisten der
Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV GMBH) in Berlin haben die aktuellen Hightech-Möglichkeiten ausgelotet und überraschenderweise den Dampfmotor als ideale Antriebsmaschine entdeckt. Allerdings erinnert dieser nicht an die Dampfmaschinen des voletzten Jahrhunderts und wer jetzt auch an ruß- und rauchspeiende Dampflokomotiven denkt, liegt total falsch: Thermische Kraftwerke bilden die Basis des Konzepts.
Kaum noch Schadstoffe
In einem sogenannten stationären Brenner, wie er in einem Blockheizkraftwerk arbeitet, gelang es den Ingenieuren mit einer "unsichtbaren" Flamme den Kraftstoff fast schadstofffrei zu verbrennen, lediglich geringe Mengen an Stickoxiden sind nachweisbar. Herbert Clemens, Bereichsleiter Dampfmotoren-Entwicklung bei der IAV: "Übertragen auf einen Fahrzeugmotor bedeutet dies, das die gemessenen Stickoxide bei unter 30 Prozent der kalifornischen SULEV-Norm liegen, die die strengsten Grenzwerte für Fahrzeuge mit super-ultra niedrigen Abgasemissionen bildet". Deshalb nannten die Ingenieure ihren Motor ZEE (Zero Emission Engine).
Gemeinsam mit dem Berliner Senat und der Technologiestiftung Berlin läuft bei der IAV noch bis Mitte des Jahres ein Forschungsprojekt, das über eine Weiterentwicklung zur Serienreife entscheidet. Die IAV gehört zu 50 % zum Volkswagenkonzern.
Vorteile des Dampfmotors
Begonnen hat alles Mitte der 90er Jahre mit verschiedenen Brennertests in Heizkesseln. Schnell wurde klar, dass die Vorteile eines solchen Brenners nur in einem Dampfmotor voll zur Entfaltung kommen, der keine Abgase produziert, kein Verbrennungsgeräusch und ein günstiges Drehmoment hat.
Grundlage aus der Reaktortechnik
Das Geheimnis der ZEE liegt in der Porenbrennertechnologie, die am Lehrstuhl für Strömungsmechanik in Erlangen entwickelt wurde. Energetisches Herz sind je zwei  Brenner pro Zylinder für die Dampferzeugung. In der schwammähnlichen Aluminiumschaum-Struktur verbrennt das Gemisch ohne sichtbare Flamme - wie in einem thermischen Reaktor. Über die glühende Porenstruktur kann die Energie an den Dampferzeuger weitergeleitet werden.
Funktionsweise des ZEE
Der ZEE ist ein Alleskönner: Ob, Benzin, Diesel, Raps oder Erdgas - der Brenner verträgt alle flüssigen und gasförmigen Kraftstoffe. Dabei liegt die Modulationsfähigkeit bei 1:20, das heißt, dass die Brennerleistung stufenlos zwischen 1,5 und 30 kW einstellbar ist.
Vater des IAV-Dampfmotors ist Entwicklungsingenieur Michael Hoetger, der das Brennerkonzept in einem Dreizylinder-Zweitaktmotor umsetzte, der letztlich 50 kW leistet. "Dreiviertel des Motors besteht aus Rohren und Leitungen, die Wärmetauscher sind, an einen herkömmlichen Motor erinnern nur noch die Kurbelwelle, je drei Pleuel, Kolben und Zylinder", erklärt Hoetger. Vom komplexen Abgassystem eines herkömmlichen Autos bleibt nur noch ein einfaches Rohr übrig. Bei all dem verwenden die Ingenieure eine
Wasserschmierung.
Auf verschiedenen Symposien haben Motorspezialisten aus aller Welt den Hightech-Dampfmotor bestaunt. Auf dem Wiener Motorensymposium, wo auch VW-Chef Piech seine Vorträge hält, bezeichnete man dem Motor als interessante Idee, die sehr innovativ ist. Veranstalter und
Motor-Professor Hans Peter Lenz von der TU Wien: "Trotzdem werden in den nächsten 10 bis 20 Jahren herkömmliche Motoren dominieren." Der uralte Verbrennungsmotor erfülle alle gültigen Vorschriften und werde auch künftig noch in Details verbessert.
Zukunftsaussichten im VW-Konzern
Noch sechs bis acht Jahre Forschungsarbeit sind nötig, um einen seriennahen Motor zu entwickeln. Doch sind erste Erfolge sichtbar. "Die Hochdruck-Dampfeinspritzung der neuesten Dampfmotorgeneration ist vergleichbar mit der eines Common-Rail-Systems und auch die Verbrauchswerte für den Brennerbetrieb liegen bei denen eines 90 PS-TDI-Motors", ergänzt Clemens, "der ZEE03 ist gar so klein, dass er unter die Motorhaube eines Skoda Fabia passt". Dessen Plattform bildet innerhalb des VW-Konzerns die Grundlage für künftige Kleinwagen. Da im VW-Konzern Drei-Liter-Autos aktuell sind und sogar Ein-Liter-Autos diskutiert werden, gibt der technikverliebte Firmenlenker Piech vielleicht auch dem Dampfmotor eine Kleinserienchance.
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 Funktionsweise des Dampfmotors
Drückt man auf den Startknopf, zündet ein Glühstift das Kraftstoff-Luft-Gemisch. Ein föhnähnliches Gebläse liefert dann drehzahlabhängig die entsprechende Verbrennungsluft. Sogenanntes Speisewasser (entionisiertes, salz- und kalkfreies Wasser) wird mehrfach vorgewärmt, bevor es in den Dampferzeuger geht.
Kurz vor dem oberen Todpunkt im Arbeitstakt strömt der Dampf in den Expansionsraum. Dieser ist im oberen Teil als Rohrwärmetauscher gestaltet, der von einem eigenem Brenner auf konstant hoher Temperatur gehalten wird. Es entstehen Dampftemperaturen von bis zu 900 Grad. Je nach Last- oder Drehzahlunterschied liefert das Brenner/Dampferzeuger-System eine Dampfqualität, die sich in Druck, Temperatur und Dampfstrom verändert. Mit bis zu 500 bar wird der Dampf im ZEE03 über einen Injektor eingespritzt -  die Öffnungs- und Schließzeiten liegen unter einer Millisekunde. Die Öffnungszeit des Injektors steuert die Dampfmenge und damit die Motorleistung, der expandierende Dampf treibt den Kolben nach unten.
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 Wasserschmierung erfordert neuen Materialmix
Hohe Anforderungen an den neuen Motor stellt die Tribologie, die Lehre von Reibung und Verschleiß. Da die klassische Ölschmierung weg fällt - Öl würde bei hohen Temperaturen schnell verbrennen und würde auch den reinen Wasserkreislauf gefährden -, musste man auf eine Wasserschmierung ausweichen, die besondere Materialien erfordert. In enger Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung (BAM) fiel die Wahl auf Kohlenstoffkeramik. Da Kohlenstoffkeramik aber um etwa 20 % teuerer ist als Aluminium, wählte man einen Mix: Zylinderlaufbuchse aus Stahl, Kolben aus Kohlenstoffkeramik. Dieser Materialmix ermöglicht hervorragende Reibwerte. Allerdings sind Probleme des Frostschutzes noch zu lösen. Auch hier sind schon vielversprechende Konzepte erarbeitet worden, jedoch fehlt innerhalb des Forschungsprojektes die Zeit zur Umsetzung. zurück...

 Dampfmotor-Historie
Auch wenn die Wiege des Automobils mit Verbrennungsmotor vor fast 120 Jahren hierzulande stand, liegt die "konstruktive" Brutstätte des Kraftfahrzeugs vor fast 400 Jahren in China. Mit drei Rädern, einem Ölbrenner und einem Dampfkessel präsentierte der flandrische Jesuitenpater Ferdinand Verbiest (1623 - 1688) am chinesischen Hof ein Dampfwagenmodell. Dabei traf der Dampfstrahl auf ein Schaufelrad und trieb über ein Zahnradgetriebe die Hinterachse an. Fortan bestimmte Dampf die Entwicklung von Fahrzeugen entscheidend. zurück...