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Safety Seat Concept: Neue Werkstoffe für Sitze
Im Geschäftsfeld Fahrzeug-Sitze erhält bei Autoliv nicht nur die Sicherheit, sondern auch der Leichtbau eine stärkere Bedeutung und damit auch strikte Vorgaben. Geht es um den optimalen Fahrer- oder Beifahrersitz
der Zukunft, soll das Basisgewicht zwölf Kilogramm betragen. 100 Kilogramm weniger Gewicht eines Fahrzeugteils bedeuten über eine Distanz von 100 Kilometern etwa 0,6 Liter Kraftstoffersparnis. Kein Wunder also, dass Autoliv
bei seinem Projekt "Safety Seat Concept" (SSC) zusätzlich zur passiven Sicherheit verstärkt auf eine Werkstoffoptimierung und verbesserte Strukturen achtet und damit verbunden letztlich auf niedriges Gewicht.
Benchmark-Studie als Grundlage für Leichtbausitz "Entwicklungen im Innenraum können heute sowieso nicht mehr isoliert gesehen werden, so dass auch Autoliv den Leichtbau unter die Lupe nimmt - bei gleichzeitiger
Beachtung der Sicherheit", erläutert Peter Kohstall, Leiter Entwicklung Fahrzeugsitz-Komponenten bei Autoliv in Elmshorn. Eine Benchmark-Studie zu Leichthau-Vordersitzen ergab, dass ein derzeit üblicher Sitz mit
manueller oder elektrischer Sitzhöhenverstellung bis zu 34 Kilogramm wiegt. Nach dem Pflichtenheft darf der neue Leichtbausitz mit einer Struktur in Mischbauweise je nach Ausstattung aber nur 15, maximal 18 kg wiegen.
Entsprechend vorausgegangener Berechnungen würde ein Autofahrer im Jahr durchschnittlich 25 Liter Kraftstoff sparen. Crashtests für mehr Sitz-Sicherheit Doch wie sehen sichere, leichte Fahrzeugsitze in der Struktur
aus? Im ersten Schritt zeichnet sich ab: Während die Aluminium-Rücksitzlehne aus Strangpressprofilen besteht, haben die Vordersitze eine Aluminium-Sitzwanne und eine Lehnenstruktur aus gerolltem, hochfesten Stahl. Doch nicht
nur bei den Werkstoffen, sondern auch im Bereich Festigkeit und Verformung bietet sich noch Leichtbau-Potenzial. Dies haben ausgiebige Crashtests ergeben. Leichter Sitz aus Alu-Stahlmix Geht es um den optimalen
Fahrer- oder Beifahrersitz, rechnen die Ingenieure mit einem Basisgewicht von etwa 12 kg. Für einen Luxussitz inklusive Zusatzmodule wie das Anti-Whiplash-System (AWS), Sensoren für die Sitzbelegung, ein integriertes Gurtsystem
oder eine elektrisch verstellbare Kopfstütze sind weitere 6 kg erlaubt. Die Sitzwanne aus Aluminium und die Lehnenstruktur aus gerollten, hochfesten Stahlprofilen bieten im Vergleich zu Aluminium oder Magnesium eine höhere
Festigkeit und nehmen bei einem Crash bedeutend mehr Energie auf. Resultat: Allein die Lehnenstruktur wurde um ein Viertel leichter und wiegt jetzt nur noch 1 500 Gramm. Zahlreiche Tests mit Sitzschienen
Sitzwannen bestehen heute üblicherweise aus dünnem Stahlblech. Allerdings geht der Trend zu Aluminium: Eine offene Alu-Rahmenstruktur mit integrierten Federelementen kann das Gewicht auf 1 200 Gramm reduzieren - deutlich
leichter als ein Stahlblech. Nach unten abgerundet wird derzeit das Sitzsystem von Sitzschienen mit und ohne Höhenverstellung, die aus Aluminium-Strangpressprofilen bestehen. Sie ermöglichen eine sehr flache Konstruktion bei
gleichzeitig hoher Festigkeit. Doch hier steht der Fortschritt vor der Tür: Künftig werden Sitzschienen aus hochfestem Stahl eingesetzt. Bei gleicher Festigkeit sind sie um ein Drittel leichter und damit nur noch 1 200 Gramm
schwer. Wie wichtig für einen Systemlieferanten Grundlagenforschung ist, zeigt sich auch am Beispiel Sitzschiene. Zahlreiche Crashtest-Reihen ergaben: Das Gewicht für ein Heckaufprall-Schutzsystem kann mit dem Einbau eines
Deformationselementes an der Sitzschiene reduziert werden. Diese Version wurde kürzlich als AWS für Vordersitze vorgestellt. Es besteht aus einem Stahlblech, das zwischen der Sitzschiene und dem Boden oder dem Sitzgestell
montiert ist. Bei einer Heckkollision "schält" der Sitz das Deformationselement kontrolliert auf. Schon 2002 soll dieses System serienreif sein. Sitzstruktur auch für die Rückbank verbessert Auch
HInterbänkler profitieren von den neuen Autoliv-Entwicklungen. Wahrend im Crashfall umklappbare Rücksitzlehnen schon bei einer Differenzgeschwindigkeit von 20 km/h versagen können, bietet die optimierte Aluminiumstruktur
deutlich mehr Sicherheit. Und, so Sitzexperte Peter Kohstall, "die Ladegutsicherung wird künftig noch deutlich mehr an Bedeutung gewinnen". Ungesicherte Ladung kann bei einem Unfall zum tödlichen Geschoss werden.
Beispielsweise fliegt ein 18 kg schwerer Wasserkasten bei einem Aufprall mit Tempo 50 schlagartig mit einer Kraft von 1 000 kg gegen die Rücksitzlehne. Deshalb setzt Autoliv bei einer klappbaren Lehnenkonstruktion auf ein
Skelett aus AIu-Strangpressprofilen statt der üblichen Stahlblechpressteile. Die Lehnen werden an den Seiten verriegelt, so dass mit dem Einsatz von Aluminium eine energieabsorbierende Konstruktion entsteht."
Pfiffige Lösung im Detail Eine trickreiche Lösung platzierten die Ingenieure im oberen Abschluss der geteilten Rückenlehne: Im Hohlraum der Profile finden Laderaumnetze oder Gepäckrollos Platz, ebenso
Seltenairbags, eine Mittelarmlehne oder eine Durchladeöffnung. Erstmals in einem Serienfahrzeug eingesetzt wird die Highend-Rückbank im neuen Volvo V 70.
Elektronische Nase überwacht Innenluft
Man sitzt im neuen Wagen, freut sich, genießt den «Neuwagengeruch». Doch sollte er nicht wochen- oder gar monatelang anhalten, denn irgendwann «stinkt es» einem im wahrsten Sinne des Wortes. Dann müssen sich die
Automobilhersteller mit diesen «Geruchsreklamationen» befassen. Spezialisten suchen Geruch-Ursachen Bei Ford etwa fünfmal im Jahr. Ein Spezialistenteam geht dann dem Geruch nach und entdeckt dabei teils exotische
Fälle: beispielsweise ein verwestes Mäusenest hinter der Armaturentafel. Doch sind die Gründe insgesamt vielfältig. Zumeist sind es neue Werkstoffe, die zwar Gewichts- und Verarbeitungsvorteile bieten, aber aufdringlich riechen.
Jörg Saßmannshausen, Leiter «Chemische Analytik» bei Ford: «Ein gewisses Maß an Neuwagengeruch akzeptieren die Kunden, ja wünschen es sogar.» Deshalb müssen die Gerüche genau definiert sein und bestimmte Prüfmethoden
erfüllen. Termindruck verhindert “Auslüften” Auf der VDI- Tagung «Kunststoffe im Automobil» berichtete Jörg Saßmannshausen über die Geruchsforschung. In der Vergangenheit lagerten Teile oft mehrere Tage, bis sie im
Auto verbaut wurden - Zeit genug, um richtig auszulüften. Heute stehen die Teile «just-in-time» in Fabriknähe und werden mit nur wenigen Stunden Vorlaufzeit direkt ans Montageband geliefert - manchmal noch «warm». Jörg
Saßmannshausen: «Zum Auslüften fehlt die Zeit, und der Geruch solcher Teile gibt leider allzu häufig Grund zu Reklamationen.» Spezialrechner vergleichen Gerüche Die Ford-Ingenieure experimentieren derzeit mit einer
Technik, die unter anderem in der Nahrungsmittel-Industrie als «elektronische Nase» eingesetzt wird. Sie nutzt elektrochemische Sensoren, um gasförmige Gerüche und Stoffe zu vergleichen. Im Zentrallabor der Ford-Werke in
Köln-Niehl steht der «eNOSE 4000», ein Rechner, der mit dem sogenannten «PRECEPT II-Autosampler» arbeitet. Hersteller dieser 100 000 Mark teuren Super-Geruchsanlage ist die englische Firma Neotronics. Die Grundausstattung
mit zwölf leitfähigen Polymer-Sensoren beinhaltet insgesamt 48 Gläser mit Proben. Aus diesen entnehmen unterschiedliche Sensoren in einer Messkammer Proben und erstellen - je nach elektrischem Widerstand - den speziellen
«Fingerabdruck». Leder hat anspruchsvollen Geruch Beispiel Leder: Etliche Sorten werden in der Fertigung von Autositzen verwendet. Sie weisen zum Teil nur geringe Unterschiede in der Qualität auf. Die
«elektronische Nase» registriert nun, ob ein bestimmtes Leder für die Sitzfertigung geeignet ist und ob der Produktionsprozess bei den Lieferanten konstant ist. Schwierig ist auch der Umgang mit Akustik-Dämmmatten, die mit
Phenol- und Formaldehydharz gebunden sind.Ein anderes Beispiel: Baumwoll-Rohware. Viele Faktoren beeinflussen ihre Geruchsqualität. Bei ihrer Untersuchung werden ihre Werte mit gespeicherten Daten guter Ware verglichen. Stimmen
sie überein, können die Prüfer das Material freigeben - oder eben nicht. Geruchsforschung erst am Anfang Und was bietet die elektronische Sensorik für die Zukunft? Saßmannshausen: «Die Chemosensorik bietet als noch
sehr junge Technik ein großes Potential.» Noch steckt die Geruchsforschung aber in den Kinderschuhen und kann auf absehbare Zeit den menschlichen Geruchssinn nicht ersetzen. zurück...
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