Sicherheit

Keilbremse xysoll Bremssysteme revolutionieren

Der Keil, eines der Ă€ltesten Werkzeuge der Menschheit, soll als Hightech-Modul kĂŒnftig Autos bremsen. Schon in der FrĂŒhzeit des Wagenbaus hat sich das Keilprinzip als Fahrzeugbremse bewĂ€hrt: Wollten Kutscher ihren Wagen stoppen, rammten sie einen Keil zwischen Radkasten und Rad - bis es letztlich blockierte. „Wir werden die Bremsenlandschaft mit einem elektronischen Keilsystem revolutionieren“, verspricht Bernd Gombert, Erfinder  der Keilbremse und Chef des Unternehmens eStop, das die Superbremse entwickelt. Seine eBrake ist eine „elektronische Bremse“ mit SelbstverstĂ€rkung, die ohne hydraulische Brems­leitungen auskommt.

Bis zur Serienreife elektronischer Bremssysteme ist es aber noch ein weiter Weg: Solche Bremssysteme sind nicht neu und ihre ZuverlĂ€ssigkeit noch nicht ge­wĂ€hrleistet. „Selbst mit einem leistungsfĂ€higen Bordnetz und sicheren Steuerstrukturen ist die Entwicklung keine Revolution, sondern eher eine Evolution“, meint Bernhard Schmittner, bei Continental Teves fĂŒr Zu­kunfts­entwicklungen verantwortlich.  

So hat schon DaimlerChrysler im viel gerĂŒhmten TechnologietrĂ€ger „E-Klasse“ eine elektrohydraulische Bremse (EHB) als „revolutionĂ€ren Durchbruch“ prĂ€sentiert. Unter der Bezeichnung SBC (Sensotronic-Brake-Control) wurde sie halbelektronisch geregelt, konnte im Störungsfall auf einen hydraulischen Kreis zu greifen. Mittlerweile hat sie sich zum Flop entwickelt: Weltweit mussten etwa 680.000 Fahrzeuge in die WerkstĂ€tten - wegen möglicher Elektronik-Probleme am Bremsen-SteuergerĂ€t.

Auch eine elektro-mechanische Bremse (EMB) blieb bisher auf der Strecke. FĂŒr den Notfall hat eine EMB keine hydraulische RĂŒckfallebene, sondern zwei elektronische Regelsysteme, die ein Ă€ußerst leistungsfĂ€higes Bordnetz erfordern. Bremsenentwickler Schmittner geht davon aus, „dass dafĂŒr ein sicheres 42-Volt-Bordnetz nicht kurzfristig verfĂŒgbar ist“. So findet eine by-wire -Steuerung bisher auch nur als elektrische Parkbremse (EPB) Anwendung, zum Beispiel im Audi A6. Dort löst sie die herkömmliche Handbremse  ab, die per Seilzug auf die HinterrĂ€der wirkt.

Die Zukunft gehört nach Ansicht der Experten von Continental Teves einem Hybridsystem, das die Vorteile der EMB mit der bekannten Hydraulik kombiniert. Hybridbremsen-Projektleiter Bernhard Schmittner rechnet aber „frĂŒhestens in der nĂ€chsten Fahrzeuggeneration“ damit, was Modelljahr 2012 bedeutet. An der Vorderachse regelt dann ein herkömmliches Hydraulik-Bremssystem, an der Hinterachse ein vollelektronisches mit integrierter Parkbremse. Es ist sogar mit dem derzeitigen 12-Volt-Bordnetz machbar. Mehr Spannung soll auch die Keilbremse nicht benötigen.

Doch weitere Details der Keilbremse bleiben geheim, erste Fahrzeuge mit eBrake wurden aber schon auf Teststrecken gesichtet. So viel ist aber bekannt. An Stelle des herkömmlichen Brems­zylinders sitzt ein keil­förmiger Bremsbelag, der beim Abbremsen von einem Elektromotor in den Winkel zwischen Sattel und Bremsscheibe gedrĂŒckt wird. Ab einem fest definierten Punkt zieht die Kraft der rotierenden Bremsscheibe den Keil in den Spalt. Damit er nicht – wie zur Kutschenzeit - blockiert, hĂ€lt ihn eine komplizierte Steuer- und Regelelektronik im Gleichgewicht. Solche Sys­teme mit so genannter Brem­sen­selbstverstĂ€rkung er­for­dern noch erheb­lichen Ent­­wick­lungs­aufwand.

Elektronische Brems­systeme liegen derzeit in anderen Unternehmen hĂ€ufig auf Eis. So ver­zichtet DaimlerChrysler in der nĂ€chsten Generation der E-Klasse auf die einstige Wunderbremse SBC und auch Bosch, MarktfĂŒhrer bei
Bremssystemen, fĂ€hrt die Weiterentwicklung ele­ktro­nischer Bremsen auf Sparf­lamme. Dient die Keilbremse möglicher­weise als Impuls­geber fĂŒr Brake­­-by-wire-Systeme?

Man fĂŒhre mit eStop GesprĂ€che, heißt es offiziell bei Bosch, nach Insiderinformationen haben die Stuttgarter sogar eine Lizenz an der Keilbremse erworben. Konkurrent Siemens VDO, bisher eher in Entwicklungsgebieten außerhalb des Bremsenbereiches tĂ€tig, wittert gar das ganz große GeschĂ€ft: Man  hat Anfang des Jahres eStop komplett ĂŒbernommen – und die Zahl der Entwicklungs-Ingenieure verdoppelt. 2009 wollen sie voll funktionsfĂ€hige Keilbremse realisiert haben.

Kurz und Knapp

Elektronische Bremse

Mit der einstigen Kutschenbremse haben elektronische Bremsen, wie die eBrake, aber nichts mehr gemeinsam. Im Gegenteil: Ein hoch kompliziertes Zusammenspiel von Mechanik, Elektronik und Steuertechnik (Mechatronik) eröffnet den Entwicklungs­ingenieuren völlig neue Wege, spart Bauraum und Materialien. So fehlt der elektronischen Bremse die BremsflĂŒssigkeit und damit die entsprechenden hydraulischen Leitungen, um darĂŒber den Druck zum Bremsen aufzubauen. Die ĂŒbliche Schwimmsatteltechnik bleibt aber erhalten, denn an jedem Rad sitzt ein Aktuator, der  â€žby wire“ gesteuert wird: Tritt der Fahrer aufs Bremspedal, löst er â€žĂŒber ein Kabel“ einen elektrischen Impuls aus, der letztlich ĂŒber einen Elektromotor am Rad die BelĂ€ge an der Bremsscheibe zuspannt.

Leistungsbedarf zum Bremsen

Das herkömmliche 12-Volt-Bordnetz stĂ¶ĂŸt bei der EMB an seine Grenzen: Techniker des Bremsenherstellers TRW haben ausgerechnet, dass  man pro Rad rund drei Kilowatt Leistung benötigt, um ein Fahrzeug von Tempo 100 bis zum Stillstand abzubremsen.

Hochleistungsbremse

Beim Bremsen wird die kinetische Energie, abhÀngig vom Gewicht und der Höchstgeschwindigkeit, durch Reibung in WÀrmeenergie umgewandelt. 90 Prozent dieser WÀrmeenergie muss die Bremsscheibe aufnehmen, 10 Prozent der Bremsbelag. Um 1970 einen BMW 2002 ti mit einem Gewicht von 1,3 Tonnen aus 185 km/h abzubremsen, waren 295 Kilowatt erforderlich - zum Umwandeln der kinetischen Energie in WÀrme. Um einen aktuellen BMW mit knapp zwei Tonnen aus 250 km/h zu stoppen, muss die kinetische Energie mit 670 Kilowatt Bremsleistung umgewandelt werden.

ebrake-Prinzip

Die konventionelle Bremsen-Philosophie geht davon aus, dass die erforderliche Spannkraft um die BremsbelĂ€ge anzulegen, rechtwinklig aufgebracht wird. Neue AnsĂ€tze versuchen Steu­e­­rungen durch elek­tro­hydraulische oder rein elektro­me­chanische Lö­sun­gen zu ersetzen. Hieraus entsteht ein hoher Energiebedarf. DemgegenĂŒber nutzt die eBrake-Lösung die kinetische Fahrzeugenergie um den elektrischen Aktuator zu entlasten. Aus der mecha­­nischen SelbstverstĂ€rkung resultiert eine Hilfskraft mit deren UnterstĂŒtzung die erforderliche Spannkraft aufgebaut wird.

Porsche-Bremse erreicht Spitzen-Verzögerung

Porsche hat den Ruf, die besten Bremsen der Welt zu haben. Im neuen 911er-Allrad legten die Weissacher Entwickler noch eins drauf. Erkennt das Regelsystem beispielsweise, dass der Fahrer den Fuß “sehr schnell” vom Gaspedal nimmt, vermutet die Steuerung eine Notbremsung. Dann baut die Hydraulikpumpe Druck auf und legt die BremsbelĂ€ge vorausschauend auf die Bremsscheibe, das so genannte LĂŒftspiel wird vermieden. Damit soll sich der Anhalteweg aus Tempo 100 um mindestens 35 Zentimeter verkĂŒrzen.. Will der Fahrer schnell bremsen, tritt aber zu zögerlich auf die Bremse, gleicht die Hydraulik­pumpe in einem weiteren Schritt zusĂ€tzlich den fehlenden Druck aus. Damit erreicht man schnell den ABS-Regelbereich. Gemeinsam mit einer optimalen Reifenwahl und geringen RĂ€der-TrĂ€gheitsmomenten lĂ€sst sich der Bremsweg aus 100 km/h nach Ansicht  der Porsche-Ingenieure um rund zwei Meter reduzieren. In der Praxis bedeutet dies: ein “optimierter” Wagen steht schon, wĂ€hrend ein “normaler” noch mit 24 km/h auf ein Hindernis fĂ€hrt.